Überwindung

Veröffentlicht am 18. September 2024 um 21:07

 Wer schreibt, ist in erster Linie ein Künstler. Und Kunst ist so vielfältig wie sonst nichts auf dieser Welt. Kunst lässt mich staunen. Kunst lässt mich zweifeln. Manchmal bin ich von Kunst auch wahnsinnig verwirrt und ich frage mich dann: WARUM???

So erging es mir zum Beispiel, als mal ich in einer Galerie vor einem Bild stand, das mit viel Abstand zum nächsten an die Wand gehängt wurde und auf dem die komplette Fläche Schweinchenrosa gestrichen war. Was wollte der Künstler mir damit sagen?

Auf Youtube gibt es ja eine Menge Videos über die Erstellung krasser Bilder mit Techniken auf die ich im Leben nicht kommen würde oder deren Umsetzung wahnsinnig nervenaufreibend und anstrengend sein muss. Murmeln, die durch Acrylfarbe rollen und dabei irre Muster auf einer Leinwand hinterlassen oder perspektivische Abgründe die jemand mit Kreide auf die Straße malt sind nur zwei Beispiele.

Wenn ich sowas sehe, finde ich Kunst super! Und manchmal, wenn ich meiner Arbeit am Theater nachgehe, verstehe ich von künstlerischer Seite mal so gar nichts.

Ich habe großen Respekt vor denjenigen, die diese Kunst erstellen, denn sie alle haben aus einer Idee etwas gemacht, das ein Publikum erreicht.

Aber was treibt die Künstler an, ihre Werke der Menschheit offenzulegen?

 

Der Drang nach Aufmerksamkeit

Das fängt ja schon früh an. Kinder sind in meinen Augen mit die kreativsten Menschen, die unter uns weilen. Wer hat nicht auch im Kindergarten ein Bild gemalt und es nachher stolz allem und jedem präsentiert? Es liegt in unserer Natur, dass wir nach Aufmerksamkeit lechzen. Am Anfang des Lebens sind es die Schreie nach den Eltern, später nach Freunden und Partnern. Wir wollen, dass unsere Idole uns wahrnehmen. Wir wollen sein wie sie. Und da wir sie anhimmeln, wollen wir auch, dass andere das wahrnehmen und gut finden, was wir selbst erreicht oder geschaffen haben. Bekommen wir das nicht, also keine Rückmeldung oder die Anerkennung, die wir uns wünschen, hinterlässt es Narben in unseren Gefühlen.

Mir fällt dazu der Naruto Manga ein. Für die, die ihn nicht kennen, gebe ich mal kurz eine Zusammenfassung von dem, was ich meine.

Naruto ist ein kleiner Junge, der ganz allein ohne Eltern in einem Dorf lebt, das ihn hasst. Wo er hinkommt, wird er vertrieben, er ist ausgegrenzt. Wenn andere Kinder mit ihm spielen wollen, halten ihre Eltern sie davon ab. „Spiel nicht mit dem Jungen!“ und „Halt dich fern von ihm!“, heißt es.  Naruto hat niemanden, der ihn tröstet, der ihm sagt, dass alles wieder gut wird. Niemanden, der ihm zuhört. Zuhause ist er ganz allein. In seiner Ausbildung zum Ninja versagt er komplett. Schlechte Noten, schlechte Praxis, kein Support von Lehrern oder Mitschülern. Alle verachten ihn und er weiß noch nicht einmal, warum.

Was macht also ein Kind, das von keinem die natürliche Aufmerksamkeit bekommt, nach der wir alle streben? Er baut Mist, wo er kann. Er klettert die Hokagefelsen hoch und beschmiert sie mit Farbe. Er spielt seinen Lehrern und Mitmenschen Streiche und wird ständig zu Strafaufgaben verdonnert. Bald ist er bekannt als das Kind, das immer nur Ärger macht. Der Höhepunkt seiner Scherze ist Das Sexy Jutsu. Ein von ihm selbst erschaffenes Jutsu, bei dem er sich in eine nackte Frau verwandelt. Das ist seine eigene Kunst, er hat sie selbst entwickelt. Diese Kunst schreit förmlich: Beachtet mich!

Sein Ziel formt sich hier schon ganz deutlich: Eines Tages will er Hokage sein! Dann wird das ganze Dorf ihn respektieren und keiner wird ihn mehr verachten.

Würde Naruto nicht so handeln, wie es in seiner Geschichte der Fall ist, könnte er sich sehr leicht zum Bösen verleiten lassen. Doch er beißt die Zähne zusammen und folgt seinem Ziel. Er tut alles, um es zu erreichen. Aus dem Ansporn heraus, dass die Dorfbewohner ihm dann endlich die Aufmerksamkeit und den Respekt schenken, die er sich so sehr wünscht.

Schließlich, wenn die Geschichte ihren Lauf nimmt, lernt er Freunde und Mentoren kennen, die ihn annehmen wie er ist. Er wird endlich anerkannt, was ihm so lange vorenthalten wurde und entwickelt sich zu einem wertvollen Mitglied seines Dorfes.

Ich selbst strebe natürlich auch nach Aufmerksamkeit. Es ist schön, wenn andere Menschen wissen, wie sie mir eine Freude machen können oder welche Worte es braucht, um mich aufzumuntern. Es ist schön, wenn ich jemandem etwas zeigen kann, was ich geschaffen habe und die Person das mit einer positiven Rückmeldung honoriert. Und im Endeffekt ist das auch einer der Antriebe, die mich in Bewegung halten. Ich weiß, dass ich Aufmerksamkeit bekomme, wenn ich etwas tue. Deswegen tue ich es. Ob ich schreibe, ob ich zeichne, ob ich musiziere ist dabei egal. Solange andere das gut finden und mir auch so sagen, erfüllt mich das mit Stolz und Befriedigung. 

 

Überwindung

Wer schreibt, der baut in seine Texte auch immer einen Teil von sich selbst mit ein. Und wer ein Kunstwerk erschafft, der ebenfalls. Deswegen wird ein Song, in dem es um Herzschmerz geht, auch so gut, wenn der Verfasser zum Beispiel gerade selbst eine Trennung durchmacht. Die Gefühle beim Schreiben sind dann authentisch und echt.

Schreiben ist Kunst. Bilder sind Kunst und Musik ist Kunst. Erschafft man also etwas künstlerisches, dann macht man sich angreifbar. Man zeigt eine Seite von sich, die nur man selbst kennt, macht sich bis auf die Knochen nackt und wenn es der Zielgruppe nicht gefällt, dann kann es durchaus sein, dass sich diese Seite minderwertig fühlt. Sie ist ein Teil von uns und das, was wir sind, können wir nun mal nicht ändern.

Wie alles auf der Welt, hat auch Kunst ihren Preis. Sowohl für die Konsumenten, als auch für den Künstler. Etwas zu veröffentlichen, etwas von sich preiszugeben, was eigentlich niemanden etwas angeht, weil es die eigenen Gedanken sind, kostet einen großen Haufen Überwindung.

Malt ein Kind Bilder, wird es dafür anfangs noch oft gelobt. Doch je mehr schlechte Krakelbilder es den Erwachsenen präsentiert, desto stärker lässt dessen Begeisterung nach. Ist ja auch logisch. Schon wieder ein buntes, nichtssagendes Bild voller nichtssagender, wirrer Linien. Yay… Da hilft bald auch jegliches gespielte Lächeln nicht mehr und irgendwann sind Erwachsene von dem Kind und seinen Bildern genervt. Das erste negative Feedback kommt und die Motivation des Kindes schwindet. Der Prozess kann über Jahre dauern, aber nach und nach hört es auf, dass es ankommt und seine Werke zeigt.

So ungefähr ist es mir ergangen, als meine Idee für die Geschichte noch brandneu war. Ich war total begeistert und habe meinen Freunden davon erzählt. Manche fanden es spannend, manche nicht so, das war mir aber egal. Ich wusste, dass ich das schreiben will. Die ersten Szenen waren bereits in meinem Kopf, einiges hatte sich schon verknüpft und einen groben Handlungsstrang hatte ich auch schon fertig. Meine Texte verschickte ich natürlich auch weiter und bekam laienhaftes Feedback – die meisten fanden es interessant.

Dann lernte ich diesen Typen kennen, der plötzlich mit in unserem Freundeskreis war. Wir tauschten Kontakte aus und chatteten hin und wieder. Natürlich kam ich dann irgendwann an den Punkt, dass ich ihm von meiner Buchidee erzählt habe. Ich schrieb, worum es etwa geht, was ich mir gedacht habe, was der Plot ist und bereitete mich auf eine entweder positive oder gleichgültige Rückmeldung vor.

Nicht gerechnet habe ich mit „Ach du scheiße! Wer sich sowas ausdenkt ist doch krank im Kopf!“

Auf Nachfrage, was daran so krank war, kamen schwammige Antworten, die sich auf die gesamte Handlung stützten. Einfach alles daran war krank, das wäre nicht normal und mit Sicherheit hätte ich psychische Probleme!

Von da an war Schluss. Nicht nur, dass ich den Typen aus meinem Leben entfernt habe, sondern auch, dass ich an einem Buch arbeite, behielt ich die nächsten Jahre für mich. Hin und wieder, wenn ich mich mit jemandem sehr vertraut fühlte, ließ ich fallen, dass ich da was im Hinterkopf habe. Ich redete die Story klein, redete mich klein à la ich bin eh nicht gut genug, ich werde das niemals veröffentlichen, ich mache das für mich, nein, aktuell kann ich dir keine Leseprobe schicken. 

Dieses Feedback ist heute über Zehn Jahre her und doch war es mit einer der prägendsten Sätze, die ich in dem Zusammenhang je gelesen habe. Nach diesen Worten fiel es mir so unglaublich schwer, jemandem wieder etwas zu zeigen, das von mir geschrieben war. 2014 wagte ich den Schritt und gab meiner Mitschülerin den ersten fertigen Entwurf. Wieviele Tode ich allerdings gestorben bin, nachdem der Mauszeiger das ‚Senden‘ Feld geklickt hatte, kann ich gar nicht mehr sagen.

Was da passiert ist zeigt, dass ich mir klarwerden musste, wer ich bin und was ich will. Mein Selbstbewusstsein war wegen einer schlechten Kritik im Keller und das musste ich ändern. 

 

Die Suche nach dem Ich / Selbstverwirklichung

Wer bin ich?

Ich würde sagen, ich bin ein Produkt aus meiner Erziehung, meinen Erfahrungen und meiner Umgebung. Bis mir klar war, was ich im Leben will, wo ich aktuell stehe und wie ich meine Ziele erreichen kann, mussten allerdings einige Hindernisse überwältigt werden. Fakt ist: Ein gesundes Selbstvertrauen hilft enorm dabei, anderen von seinen Ideen zu erzählen und seine Kunst zu zeigen. Außerdem ist durch ein selbstsicheres Auftreten die Wahrscheinlichkeit, von anderen ernstgenommen zu werden, wesentlich höher.

Jeder muss diesen einen Weg – seinen eigenen Weg – gehen. Und jeder muss für sich selbst entscheiden, wer er oder sie sein will. Wie genau das funktioniert, kann ich nicht sagen. Aber ein Ziel vor Augen hilft auf jeden Fall.

Ich will nicht zu tief in die Materie gehen und nach dem Sinn des Lebens forschen. Meiner Ansicht nach ist der nämlich personenbezogen und individuell. Aber wer seine Kunst der Öffentlichkeit preisgibt, der geht einen Riesenschritt. Und mit Riesenschritten wachsen wir. Selbstverwirklichung kann ganz verschieden aussehen. Für die einen ist es das Schreiben von Geschichten, für die anderen Musik und für einige vielleicht Sport. Auf jeden Fall macht Selbstverwirklichung glücklich. Davon bin ich überzeugt.

Und dieses Buch zu veröffentlichen wird Teil meiner persönlichen Selbstverwirklichung

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