So baue ich Charaktere

Veröffentlicht am 18. September 2024 um 21:08

In der Regel beginnt bei mir alles mit einer Zeichnung. Als lang erprobte Comiczeichnerin, die weder Hände noch Füße vernünftig hinkriegt, greife ich in der Regel als allererstes zum Stift. So hat es auch mit meinen beiden Hauptfiguren aus der Geschichte angefangen.

Inspiriert wurde ich durch mein Outfit, das ich an einem Tag im Dezember 2007 trug. Es war kurz vor Weihnachten, der 22.12. meine ich. Wahrscheinlich waren da schon Ferien und ich hing zuhause rum, denn ich hatte eine schwarze, kurze Stoffhose an, ein schwarzes Poloshirt und eine Mütze auf dem Kopf. Was immer daran so cool war, ich wollte eine Figur zeichnen, die das anhatte, was ich anhatte. Leider sind die Bilder irgendwie verschütt gegangen, sonst würde ich sie hier einfügen, aber ja.

Der zweite Charakter war inspiriert durch den Zeichenstil meiner besten Freundin und er hatte meine ich nur ein T-Shirt und ebenfalls eine kurze Hose an. Beide waren so groß wie ein hochkantiges Din A4 Blatt. Sie hatten noch keinen Namen, keine Geschichte, keine Prämisse und keinen Sinn. Aber hin und wieder, wenn ich so aus Langeweile vor mich hinzeichne, mal dies, mal das ausprobiere, entstehen dabei Figuren, denen ich unbedingt eine Geschichte verpassen will. So war das bei mir schon immer. Auch, als ich noch Comics gezeichnet habe. Alles fing immer mit einer zufälligen Zeichnung an, die mir so gut gefallen hat, dass ich daraus mehr machen wollte.

 

Setting

Als nächstes kommt das Setting. Wo und wie befindet sich der Charakter. Eine Zeit lang stand ich unheimlich auf den Anime One Piece und habe mir selbst Piratencharaktere ausgedacht. Ich musste mir also eine Umgebung ausdenken und weitere Charaktere, die die bereits gezeichneten Helden unterstützten. Dieses Setting passiert dann meistens in meinem Kopf. Es entstehen Umgebungen und Zusammenhänge und eine zeitliche Einordnung. Da ich mich in Geschichte nicht besonders gut auskenne, lagen die Zeiten meistens im Hier und Jetzt. Eine Piratengeschichte in der aktuellen Zeit zu erfinden, war gar nicht so leicht, doch die Ideen kamen und kamen irgendwie.

Einmal wurde ich inspiriert vom Manga D.N. Angel. Ich weiß nicht mehr genau, was mich daran so fasziniert hat, aber immer, wenn der Hauptcharakter etwas Bestimmtes gesagt hat, hat er sich verwandelt. Ich erfand einen Jungen, der vom Snowboardfahren begeistert war und durch ein bestimmtes Medaillon Flügel erhielt, wenn er bestimmte Worte sprach. In dem kleinen Anhänger, der aussah, wie ein Flügel, lebte außerdem ein kleiner Geist, der ihn trainierte. Hier spielten Magie und Helden eine Rolle.

Es kommt bei meinen Charakteren immer darauf an, welches Thema mich aktuell interessiert. So baue ich automatisch ein Setting auf, in dem sie sich befinden und in dem ihre Geschichte spielt.

 

Namen

Um Namen kümmere ich mich nebenbei. Manchmal fallen mir sofort welche ein, weil ich dann denke „Oh, der sieht aus wie ein…“ oder weil ich gerade einen coolen Namen gehört habe, auf den ich dann einen zugeschnittenen Charakter zeichne. Bei meinen Protagonisten war es so, dass ich bei ICQ meine Freundesliste durchgegangen bin und Leute angeschrieben habe mit der Frage, ob sie coole, männliche Vornamen kennen. Einer antwortete mir: „Chad und Anthony. Das sind der Schlagzeuger und der Sänger der Red Hot Chili Peppers.“ Ich fand sie cool, also waren die Namen fix. Ein anderer Freund nannte mir seinen Namen. Da musste ich zustimmen, der war wirklich cool. Ansonsten hilft mir ganz oft auch Mr. Google. Da gibt es ja eine ganze Menge Seiten, um sich Vor- und Nachnamen auszudenken oder zufällig anzeigen zu lassen.

Ich habe eine Vorliebe für englische Namen. Deswegen gibt es neben Chad und Anthony auch noch Ronny, Eliot, Nolan, Rob, James und viele mehr in die Richtung. Wenn ich spontan einen Namen brauche, gehe ich meistens im Kopf eine Liste durch an Menschen, die ich kenne und überlege, ob sich ihre Namen eignen. Aber da hat wahrscheinlich jeder seine eigene Methode, um den passenden Namen zu finden.

Selten, ja wirklich super selten ist es der Fall, dass ich Namen nach ihrer Bedeutung auswähle. Ich habe es bei einem Charakter mal versucht und einen Namen verwendet, der zwar zu ihm gepasst hat, den ich am Ende aber total blöd fand.

In den meisten Fällen ist es eine Bauchentscheidung.

 

Geschichte / Charaktereigenschaften

Bis hierhin sind vielleicht ein paar Stunden vergangen. Die Überlegungen zu Aussehen, Setting und Name finden relativ schnell hintereinander statt. Das ist in meinen Augen der einfachste Part beim Entwickeln von Charakteren. Denn als nächstes kommt ihre Geschichte.

Das grobe Setting gibt mir ja einen Rahmen vor, in dem die Geschichte spielen soll. Die Piratenstory erwartet von mir, dass ich Kämpfe, Plünderung, Inseln, Schätze und einen Kapitän einbaue. Hier muss ich mir überlegen, wie die Charaktere handeln und was sie dazu gebracht hat, so zu handeln. Warum ist Kapitän Tim Combat hinter seinem Bruder her? Und warum ist ein so hohes Kopfgeld auf ihn ausgesetzt? Was soll er auf seiner Reise erleben und wie wird er mit Gefahren umgehen?

In der Regel entwickle ich die Charaktereigenschaften mit dem Schreiben bzw. Zeichnen der Geschichte. Bei Comics habe ich nie geplottet. Da hat sich alles Kachel für Kachel aufgebaut. Deswegen sind meine Comics auch wild durcheinander, voller Abenteuer und unlogischer Twists.

Beim Buchprojekt hat die Charakterentwicklung in meinem Kopf stattgefunden. Natürlich auch beim Schreiben, aber hier habe ich mir auch außerhalb der Schreibzeiten enorme Gedanken gemacht. Meistens, wenn ich abends im Bett liege, gehe ich im Kopf nochmal durch, was mit ihnen passiert und was logisch ist. Das Buch wird anders als meine Comics. Ich muss auf Logik achten und darauf, dass alles einen Sinn macht. Ich versuche, den Charakteren Eigenschaften zuzuordnen, die sie von Grund auf mitbringen und dann lasse ich ihre Umgebung sie beeinflussen. Jemand, der unschuldig verurteilt wird, ändert sich eher im Verhalten und im Mindset als jemand, der eine Verurteilung verdient hat. Und jemand, der bisher immer die Kontrolle über alles hatte, wird einige Veränderungen durchmachen, wenn sie ihm genommen wird. Manchmal fertige ich auch Steckbriefe für sie an.

Ich lasse mich inspirieren von Situationen, die mir im wirklichen Leben passieren und von Menschen, die mir begegnen. Jeder Mensch ist anders und ich versuche, diese Wesenseigenschaften auf meine Charaktere anzuwenden und anzupassen.

Die menschliche Psyche mit einzubauen ist auch nochmal ein Teil für sich. Bei manchen Charakteren fällt mir das leicht, denn ich kann sie aus meinen eigenen Erfahrungen zu dem machen, wer sie sind und bei manchen ist das echt schwer, weil ich es nicht kenne und mir eben nur denken kann, wie sich ihre Lage anfühlt und wie sie da reagieren würden.

Auf jeden Fall sind die Personen, die in meiner Geschichte vorkommen, seit 14 Jahren ein Teil von mir und dementsprechend oft habe ich ihre Eigenschaften und Entwicklungen geändert. Ich habe vieles ausprobiert und mittlerweile sind finale Versionen von ihnen fest zu Papier gebracht.

Fakt ist: Die ganze Arbeit findet in meinem Kopf statt. 

 

Finalisierung

Habe ich mir erstmal einen Charakter ausgedacht, dann zeichne ich ihn immer wieder. So kann ich mir optisch vorstellen, wie er aussieht und eventuell kleine Merkmale hinzufügen, die dann wieder Einfluss haben auf ihre Eigenschaften und Charakterzüge. Allein schon, welche Klamotten ich ihnen anziehe, sagt einiges über sie aus. Und ihr Style verändert sich ständig. Ich orientiere mich dabei oft an den Anime / Manga Style. Den find ich gut und ich will, dass meine Charaktere ihn auch gut finden.

Am Ende stehen da Menschen, die ich mir in meinen Tagträumen, wenn ich im Kopf plotte, bildlich vorstellen kann und die eine wirkliche Gestalt annehmen. Damit kann ich dann arbeiten.

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