
Das heute wird glaube ich ein schnulziger Text, in dem ich über kleine Ziele, Erfolge, Hürden und Motivation rede. Aber mal im Ernst. Egal, was man sich vornimmt zu tun, alles fängt mit einem ersten, einem kleinen Schritt an.
Schritt für Schritt lautete teilweise der Arbeits-Untertitel meiner Geschichte, denn auch mein Protagonist musste erst einmal lernen, wie man vorwärtskommt, wenn man in einer Sackgasse steckt. Die Geschichte ist zwar völlig frei ausgedacht, gesponnen und erfunden, doch ich möchte zwischenmenschlich und in der Logik schon gerne an der Realität bleiben. Aber was meine ich überhaupt damit?
Mal angenommen, du nimmst dir vor, ab jetzt jeden Tag an deinem Buchprojekt zu schreiben. Das ist ein tolles Ziel, das ich sehr gut nachvollziehen kann und ich mir auch ständig vornehme zu erreichen. Was aber, wenn du entweder noch nie ein Buch geschrieben hast oder dein Skript schon seit einer Ewigkeit in der Schublade liegt und versauert und du dich einfach nicht dazu aufraffen kannst? Wahrscheinlich kommt noch dazu, dass du dir eine persönliche Deadline gesetzt hast, wie Ich möchte das Buch noch dieses Jahr veröffentlichen! Oder Jeden Tag ein Kapitel! Das schaff ich schon!
Das geht dann drei Tage gut, eine Woche vergeht, deine Fantasie sprudelt über, deine Finger fliegen nahezu über die Buchstaben der Tastatur und plötzlich fühlst du dich leer. Aus tausend Ideen wurden immer weniger, du lässt einen Tag aus, dann zwei, dann eine Woche, der Druck steigt, du wirst dir selbst nicht mehr gerecht, deine Stimmung kippt, die Laune sinkt und bald ist dein Buchdokument auch nur noch eines von vielen in einem Sammelordner irgendwo auf deinem Laptop. Schreiben ist wohl doch nicht deine Berufung.
Und dann?
Ich weiß, wie schwierig es ist, etwas wieder neu zu starten, was man lange ausgesetzt hat. Oder wie massiv ein Projekt sein kann, das man sich gerade vornimmt. Da steht man dann vor einer hohen Mauer, die schier unüberwindbar erscheint und man ist plötzlich gezwungen, sich über die kleinen Dinge Gedanken zu machen. Wie die Überschrift schon sagt, sind kleine Schritte hier der springende Punkt. Will man etwas wirklich erreichen, dann muss man das Schritt für Schritt angehen und jede Erfahrung auf seinem Weg mitnehmen, die man machen kann. Bei einer Mauer würde ich mich also erstmal umsehen, ob irgendwo eine Leiter steht. Ist das nicht der Fall, könnte ich überlegen, woraus ich mir eine baue. Dafür brauche ich Material, ggf. Werkzeug und das Wissen, wie eine Leiter stabil genug ist… Und so weiter.
Bei mir ist das ganz aktuell wie folgt: Die Stadt in der ich lebe, ist super flach und hat gefühlt nur einen Berg. Auf diesem Berg wohne ich. Keine Frage, die Ecke ist schön, ruhig und grün und so. Außerdem ist die Anbindung zur Innenstadt dank Straßenbahnen und Bussen wunderbar. Aber für mich, die gerne Fahrrad fährt, war dieser Berg sehr lange eine gigantische Hürde, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. Bis dahin sind es zirka sieben Kilometer und der Hinweg geht richtig geil und steil bergab. Jedes Mal ist höchste Konzentration gefragt, mein Rad erreicht nämlich sehr schnell sehr schnelle Geschwindigkeiten und um die Kurve muss ich auch. Das macht irre Spaß!
Aber der Rückweg nervt halt.
Die ersten Fünf Kilometer fahre ich gerne. Nach der Arbeit ein bisschen runterkommen, Musik hören, an was anderes denken, weil man sich auf den Verkehr konzentrieren muss… und dann BÄM! Erreiche ich die Straßenbahnhaltestelle unten am Berg und habe die Wahl: Einsteigen? Oder selber fahren? Ich bin extrem oft einfach unten eingestiegen, oben wieder ausgestiegen und von da weiter Fahrrad gefahren.
Während der ersten Coronawelle kaufte ich mir, wie viele andere Menschen auch, ein neues Fahrrad. Ich stand knapp eine Stunde dafür an – vor einem Laden, den ich heute nicht mehr empfehlen kann (aber dazu wann anders).
In Spanien bin ich zwei Jahre zuvor ein richtig gutes Mountainbike gefahren, das unserer Freizeitgruppe von den Freizeitveranstaltern gestellt worden war. Es hatte hydraulische Scheibenbremsen, saubere Gänge, ein richtig gutes Handling und das Fahrgefühl war der Hammer! Ich kam die steilsten Berge damit rauf und mir wurde klar, dass ich genau so eines haben möchte. Also erfüllte ich mir diesen Traum.
Nun, Fahrräder müssen gefahren werden. Ich unternahm schlussfolglich diverse Touren durch mein kleines grünes Fleckchen Stadt. Als die Arbeit wieder losging, fuhr ich mit dem Rad, weil ich Bahnfahren mit Maske vermeiden wollte. Allerdings passierte es mir immer noch häufig, dass ich auf dem Rückweg dann doch die Straßenbahn zur Erklimmung des Berges nahm. Manchmal, wenn ich einen guten Tag hatte, traute ich mich an den steilen Weg. Dann musste ich aber mindestens zwei Pausen machen.
Egal.
Ich bemerkte, wie leichtgängig ich mit dem neuen Fahrrad den Berg hinauffahren konnte. Es war zwar immer noch sehr anstrengend, aber machbar. Also setzte ich mir Ziele. Bei der nächsten Auffahrt würde ich es bis zu einer bestimmten Laterne schaffen und da meine Pause machen. Ich beschränkte mich ab da nur noch auf eine Pause pro Strecke. Das zog ich eine Weile durch. Hin und wieder kam es vor, dass ich den Berg ohne Pause ganz erklimmen konnte und erst oben etwas trank. Dann war ich immer super stolz auf mich! Und heute schaffe ich sogar, ohne eine einzige Pause, den gesamten Weg von der Arbeit heim – inklusive Berg.
Diese kleinen Schritte sind sehr wertvoll, wenn man begreift, dass man sie gehen muss, um ein gutes Ergebnis zu erzielen oder um ein gewünschtes Ziel zu erreichen.
Ein anderes Beispiel. Das ist mir heute erst passiert. Seit ich nämlich so gerne Fahrrad fahre, fahre ich immer weniger Auto. Jetzt auch, wo die Spritpreise so teuer sind, verzichte ich beinahe ganz auf den Wagen. Innerhalb der Stadt brauche ich ihn eh nicht und die einzige Stadt, die ich mit ihm sonst regelmäßig besucht habe, erreiche ich heute in ca. 2 Stunden mit dem Rad. Ich habe ein Ticket, mit dem ich am Wochenende eh überall hinfahren kann. Und so sehr ich das Autofahren liebe, so sehr liebe ich es im Moment, meine Strecken mit dem Fahrrad zu absolvieren. Naja, auf jeden Fall habe ich die grüne Knutschkugel irgendwann vor drei oder vier Wochen mal an den Straßenrand gestellt und seither nicht mehr bewegt. Letzte Nacht bekam ich dann wie aus dem Nichts Schuldgefühle, weil ich das Auto schon ziemlich vernachlässigt habe im letzten Jahr. Das Einschlafen fiel mir sehr schwer, ich dachte ständig an das Auto, das auch noch drei Straßen weiter parkte und das ich teilweise tagelang nicht abgecheckt hatte. Ich hatte ein richtig schlechtes Gewissen. GEGENÜBER MEINEM AUTO!!!
Was mir hilft, wenn ich nicht schlafen kann, weil ich zu viel nachdenke ist, meine Gedanken aufzuschreiben. Dann verlassen sie nämlich den Kopf. Ich schrieb über alles, was mir einfiel und auch über mein Vorhaben am nächsten Tag. Mein Tagesziel war ganz klar, dass ich das Auto heute zur Tankstelle bringe, durch die Waschanlage jage, Luft in den Reifen nachfülle, Öl checke, es aussauge und überflüssigen Müll wegwerfe. Doch es kam anders. Mein Dienstplan sah für heute Überstunden vor, die ich nicht bedacht hatte. Das verschob meinen Plan nach hinten und die Aussicht auf Gewitter und Dauerregen machte es nicht besser. Ich kam halb durchnässt nach Hause und hatte schlichtweg keinen Bock, das alles zu machen, bevor ich nicht eine Pause einlegte oder das Wetter besser wurde. Eigentlich war mir da schon klar, dass das heute nichts mehr wird. Und da fiel mir ein, dass kleine Schritte auch befriedigend sein können. Ich schnappte mir, kaum zuhause rein, den Autoschlüssel und ging wieder raus. Durch den Regen lief ich die drei Straßen weiter, schloss das Auto auf, stieg ein und startete es. Ich fuhr über die Kreuzung und bog ab. Vor unserer Wohnung waren zu dem Zeitpunkt mindestens sechs Parkplätze frei, davon vier direkt hintereinander. Normalerweise hat man dort überhaupt gar keine Chance, was zu finden. Ganz klischeehaft nahm ich mir fünfzehn Meter zum einwandfreien rückwärts einparken, stieg aus, schloss ab und ging wieder rein.
Jetzt, da ich hier sitze und diesen Text schreibe, sehe ich aus dem Fenster. Der Himmel ist dunkelgrau, schwere Wolken lassen es in Strömen regnen und ich blicke hinab auf das von Klebeband zusammengehaltene Dach der grünen Klapperkiste und bin glücklich darüber, dass doch irgendwie alles in Ordnung ist. Morgen ist auch noch ein Tag. Kleine Schritte sind wichtig. So lange man sie geht, macht man nichts falsch. Wichtig ist nur, dass man dranbleibt und auf halber Strecke nicht aufgibt. Am Donnerstag will ich damit fahren. Also werde ich die nächsten zwei Tage nutzen, um es auf Vordermann zu bringen. So zumindest mein Plan…
Schritt für Schritt in meinem Buch
Der Protagonist meiner Geschichte erlebt viel Einfluss von außen, den er sich nicht aussucht. Er wird von mir in einen Eimer voll Scheiße geworfen, aus dem er sich irgendwie herausarbeiten muss. Auf seinem Weg muss er Entscheidungen treffen, die teilweise Erfolg haben und teilweise in die Hose gehen. Als er merkt, dass es besser ist, sich Schritt für Schritt um sein Leben zu kümmern, fällt ihm vieles leichter. Es nimmt ihm den Druck, sofort alles richtig machen zu müssen. Das war auch für mich eine Erleichterung, denn ich fühle ja wie gesagt mit meinen Charakteren mit. Ich bin froh, dass mir diese Entwicklung für ihn eingefallen ist.
Meinen Weg bis zu dieser Idee bin ich übrigens genau so gegangen.
Schritt für Schritt.
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