Der Weg ist das Ziel

Veröffentlicht am 18. September 2024 um 21:08

Habt ihr euch schonmal Gedanken darüber gemacht, dass der Weg das Ziel sein könnte? Für mich klingt das nach einem total kitschigen Satz, der am Ende einer langen Schatzsuche auf einem Zettel geschrieben in der heiß begehrten Truhe liegt. Wie enttäuschend das sein muss! Da nimmt man so viele Strapazen auf sich, um am Ende zu erfahren, dass alles, was man erlebt hat, jeder Schritt, jeder Zweifel und alle Hindernisse, die man überwinden musste, dass Freundschaft und Gemeinschaft, die das Abenteuer zusammengehalten haben, am Ende der wahre Schatz sind?

Es gibt eine Folge des Anime „Detektiv Conan“, in der die Detective Boys genau das erleben. Die Detective Boys sind eine Gruppe aus fünf Kindern, die die Polizei und die erwachsenen Detektive bei ihrer Arbeit unterstützen und hin und wieder auch ihre eigenen, kleinen Fälle lösen. Es sind die Kinder, mit denen der Protagonist, der Oberschüler-Detektiv Shinichi Kudo alias Conan Edogawa, gezwungen ist, rumzuhängen, damit seine Tarnung nicht auffliegt. Sein guter Freund Professor Agasa lädt die Detective Boys in dieser Folge zu einem Campingtrip ein. Als Lockmittel für diesen Ausflug hat er eine Schatzkarte dabei, die Shinichis Vater einmal erstellt hatte. Die Kinder machen sich mit ihr auf die Suche nach dem Schatz. Sie überqueren eine Brücke, die hinter ihnen einstürzt, klettern einen Hang hinauf, werden von Schlangen attackiert und treffen zwei Männer, die ebenfalls auf der Suche nach dem Schatz sind. Es stellt sich heraus, dass sie nicht denselben Schatz suchen, wie die Kinder, sondern einen Sack voller Diamanten und Juwelen, der bei einem Raub erbeutet wurde und jetzt im selben Versteck liegt, wie der Schatz der Detective Boys. Sie schaffen es, die Räuber zu überwältigen und finden in der für sie vorgesehenen Schatzkiste einen Zettel, auf dem steht, dass die Erfahrungen, die sie auf ihrem Abenteuer der Schatzsuche gemacht haben, der wahre Schatz seien.

Diese Folge ist eine der wenigen, die ich mir wirklich gemerkt habe. Und das, nur wegen der „Der Weg ist das Ziel“- Sache. Ich glaube eh, dass sich viele Dinge, die ich in Kindersendungen gesehen habe, im Nachhinein als Lebensweisheiten entpuppen. Aber dieser eine Satz verfolgt mich!

Ich meine, seit ich diese Folge gesehen habe und von der Existenz der „Der Weg ist das Ziel“-Philosophie weiß, denke ich da ständig dran! Am Anfang fand ich das noch total doof, weil der Weg nicht aus glitzernden Steinen oder Geld bestand, sondern aus der von den Kindern gemachten Erfahrung. Heute sehe ich das anders.

Wenn ich so darüber nachdenke, dann ist der Weg auch im Autorendasein das Ziel. Warum schreibe ich? Weil ich ein Buch veröffentlichen will. Aber ich will nicht nur das Buch veröffentlichen, ich will auch, dass es gut wird. Ich möchte klare Sätze schreiben, möchte, dass einem beim Lesen eine imaginäre Welt vor Augen geführt wird. Die Leute sollen meinen Schreibstil gut finden, das Design muss stimmen und so weiter. Wie erreiche ich das? Indem ich schreibe. Und das jeden Tag. Indem ich übe. Und all das, was ich auf meinem Weg zum fertigen Buch erlerne und ausprobiere fließt in mein Ergebnis mit ein. Heißt: Auch hier ist der Weg ein Teil des Ziels. Aber nur ein Teil. Denn strenggenommen lautet das gesteckte Ziel beim Schreiben ja: Das Buch soll veröffentlicht werden (oder zumindest fertiggestellt).

Genau wie die Detective Boys habe auch ich neulich einen Campingausflug unternommen. Okay, es war kein richtiger Campingausflug mit Zelt an einem Fluss, einer Angel und einer Schatzkarte, sondern das Pfingstlager unserer Pfadfindergruppe. Das Lager fand auf einem Bauernhof statt, nicht besonders weit von zuhause entfernt, vielleicht gerade mal 20 km. Mit dem Auto brauche ich dorthin etwa fünfundzwanzig Minuten. Da ich im Sommerurlaub eine etwas größere Fahrradtour unternehmen möchte, dachte ich mir, eignet sich dieses Wochenende ideal, um meine Ausrüstung einmal zu testen. Ich weiß genau, dass meine Urlaubstour unter dem Motto „Der Weg ist das Ziel“ laufen wird. Das habe ich mir von Anfang an gesagt. An Pfingsten wollte ich herausfinden, ob das funktionieren kann, also war auch diese Fahrt mein Ziel. Schon witzig, wie ich im Nachhinein so vieles unter dieses Motto stelle. Beim Fahrradfahren möchte ich nämlich primär die Tour genießen. Also den Weg. Wenn ich das Ziel dann erreiche, erreiche ich gleich zwei.

Und das ist eigentlich ein echt schönes Gefühl. Ich komme an und weiß, ich habe meinen Teil bereits getan, mein Ziel für heute ist erreicht. Dann kann ich mich vollkommen darauf konzentrieren, den Kindern ein unvergessliches Wochenende zu bereiten. Was wir als Team auch geschafft haben.

Ich glaube, ich habe noch nie erlebt, wie eine Gruppe Kinder so harmonisch miteinander Zeit verbringt. Umringt von Hühnern, Kühen und Pferden, netten Menschen und einem Elektrozaun saßen wir auf Baumstämmen um unser Lagerfeuer herum. Wir sangen Lieder, die ich an der Gitarre begleiten durfte, spielten Spiele, schnitzten, aßen Stockbrot und erlebten eine wirklich wundervolle Gemeinschaft. Die stillschweigende Nachtwanderung mit Fackeln und der anschließenden Aufnahme jedes einzelnen Kindes als Pfadfinder schafften einen Höhepunkt, der dafür sorgte, dass wir alle unsere Halstücher den Rest des Wochenendes voller Stolz trugen. 

Manches bleibt unbeschreiblich. Ich bin 29 Jahre alt und fühlte mich in dieser Nacht im Schein des Feuers so krass zugehörig und verbunden mit jedem einzelnen Menschen in unserer Gruppe. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit werde ich mein Halstuch mit auf die lange Fahrradtour nehmen. Wenn ich ehrlich bin, wollte ich es erst gar nicht mehr ausziehen. Aber gut, vier Tage ohne Dusche und die ständige Aussetzung von Lagerfeuerrauch hinterlassen ihre Spuren. Ich MUSSTE es in die Wäsche werfen :D

Auch, wenn ich nach diesem Wochenende ins Bett gefallen bin und geschlafen habe, als wäre ich tot, bereue ich keine einzige Sekunde davon. Solche Aktionen sind immer ein bisschen stressig, was der Körper erst dann so richtig merkt, wenn es vorbei ist. Aber das ist gut. So konnte ich auf dem Weg zu meinem Bett einige unvergessliche Momente erleben. Das Leben geht immer weiter. Es pausiert nicht nach einem Pfingstlager, sondern schließt das nächste Erlebnis gleich hinten an. Somit ist man nie so richtig am Ende angelangt, oder?

Der Weg ist das Ziel.  

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