Schreibreise 2022 - Mein fertiges Manuskript

Veröffentlicht am 18. September 2024 um 21:08

Wie ihr, als aufmerksame Leser*innen wisst, habe ich mein Manuskript bereits im Jahr 2021 fertiggeschrieben. Das war geil! Sämtliche Gedanken, die sich bis dahin angesammelt hatten, standen nun endlich zusammengefasst und in richtiger Reihenfolge in einem Word-Dokument. Diese Version umfasst 173 Din A4 Seiten mit insgesamt zirka 120.490 Wörtern. Es war der zweite Entwurf, der Gesamtgeschichte, den ich zu einem Ende brachte und der dritte Entwurf insgesamt. 

Ich ließ ihn für ein halbes Jahr so, wie er war und beschloss, ihn zu gegebener Zeit zu bearbeiten. Das Feedback taumelte von verschiedenen Stellen ein und auch bei meinen eigenen Lesedurchgängen wurde ich immer unzufriedener, weswegen ich mich dazu entschied, das ganze Manuskript, statt es zu bearbeiten, von Grund auf neu zu schreiben. Eine Aufgabe, für die ich sechs Monate einplante und am Ende 13 Monate brauchte.  

Im Januar 2022 probierte ich Scrivener aus. Wenn ich ehrlich bin, schaue ich mich schon seit ich angefangen habe, zu schreiben, nach professionellen Schreibprogrammen um, weil ich dem Glauben erlag, wie wahrscheinlich jeder Anfänger, dass mit einem guten Programm gute Ergebnisse einhergehen. Das ist wie mit Gitarrenequipment. Gute Technik macht aus dir einen guten Musiker. Logisch, oder? Dass Übung und Routine der Schlüssel sind, will niemand begreifen, weil Menschen Bequemlichkeit lieben.

Und obwohl ich Word als Programm liebe, wollte ich ausbrechen. Zur Auswahl standen Papyrus Autor und Scrivener. Der ausschlaggebende Punkt, weshalb ich mich am Ende für Scrivener entschied, war der, dass in einem Internetartikel über die Software die Stil-Korrektur von Papyrus Autor in Frage gestellt wurde. Darin stand, dass Papyrus seine Nutzer in gewisser Weise „erzieht“ und jemand, der regelmäßig damit arbeitet, damit geschriebene Texte sofort erkennt. Ich wollte auf keinen Fall dazugehören. Mein Schreibstil bleibt mein Schreibstil und kein Programm dieser Welt sollte mir da hineinpfuschen. Auf meinem Laptop landete also eine 30-Tage Testversion von Scrivener. Besonders cool daran fand ich das Tutorial, in dem einen das Programm durch alle möglichen Funktionen leitet. Vom ersten eingetippten Wort bis zur Kompilierung eines ganzes Manuskripts. Da ich aus meinem alten Text einen neuen Text machen wollte, gefiel mir besonders die Split-Funktion, in der das Programm zwei Texte nebeneinander öffnet. So hatte ich links mein fertiges Manuskript und rechts die neue Version davon. Die 30 Tage vergingen, Scrivener fragte, ob ich es kaufen will und ich klickte auf „Ja“. Somit begann mein Schreib-Abenteuer 2022. 

 

Ein sehr wichtiger Aspekt im letzten Jahr war Zeit. Da ich einer Arbeit mit 42 Stunden die Woche nachgehe, musste die Schreibarbeit in allen privaten Slots erfolgen, die ich aufbringen konnte. Neben meinen vier Ehrenämtern, dem Sport, zwei Bands und einem Sozialleben blieb manchmal kaum etwas übrig. An guten Tagen schaffte ich vielleicht 3000 Wörter, an schlechten maximal 200. Dann wieder über Wochen kein einziges. Und trotzdem dachte ich nie daran, aufzugeben. Mein Ziel, das Buch im Herbst ins Lektorat zu geben, musste ich verschieben, ebenso mein Wunschdatum der Veröffentlichung. Aber nachdem die ersten Kapitel abgetippt- und viel, viel besser waren als im ursprünglichen Text, sah ich mein Ziel klar und deutlich vor Augen. Zwar weiter weg, als geplant, aber es war da und sollte nie, nie, nie verblassen.

Im März begann ich mit Instagram. Kaum einen Monat später wurde mir @Avia_Ray_Autorin vorgeschlagen, die ich anschrieb, weil sie, wie ich, dabei war, ihren Debütroman zu schreiben. Nach einigen Nachrichten hin und her stellten wir nicht nur die Gemeinsamkeit des Schreibens fest, sondern auch die, dass wir beide Gitarre spielen. Bis heute fasziniert mich die Tatsache, dass die kleinsten Gemeinsamkeiten Menschen verbinden können. Das beste Beispiel dafür ist doch immernoch der gemeinsame Wohnort, wenn man sich irgendwo, hunderte Kilometer weit weg begegnet und merkt, dass man aus derselben Stadt kommt (so, wie der Typ, den ich auf einem Festival traf und der einfach nur zwei Häuser neben mir wohnte). Das war bei uns nicht der Fall, denn uns trennen über 500 km voneinander, aber dieser Chat hatte Folgen, mit denen ich niemals gerechnet hätte. 

Ich verstand zum ersten Mal, was es bedeutete, einen Schreib-Buddy zu haben. Eine Person, die völlig unvoreingenommen und respektvoll mit deinen Texten umgeht, sie kritisiert und sagt, was gut daran ist. Außerdem gaben wir uns gegenseitig die Motivation, weiterzumachen. Manchmal verabredeten wir uns mit „Am Wochentag X um Uhrzeit X widmen wir uns eine Stunde lang nur dem nächsten Text, der geschrieben werden muss.“ Danach besprachen wir, zu welchen Ergebnissen wir gekommen sind oder was uns aufgefallen ist über Skype oder Whatsapp. Wir schätzen beide die Professionalität, mit der wir an die Texte des anderen herangehen, weil wir uns beide mit dem Wunsch, unsere Bücher zu veröffentlichen, denselben Fokus gesetzt haben. Für Peinlichkeiten und kindische Einwände à la „Ich will nicht, dass das einer liest“ ist da kein Platz.

Was mich zum letzten Wochenende bringt. @Avia_Ray nahm eine sehr lange Zugfahrt auf sich, um mich zu besuchen. Ich war mit meinem Manuskript mittlerweile so weit fortgeschritten, dass ich sagen konnte: Am Samstag bin ich damit durch. Mein Schreib-Buddy wollte es sich nicht entgehen lassen, beim letzten Wort, das ich tippe, dabei zu sein und so verbrachten wir den kompletten Samstag damit, meine drei Lieblingscafés aufzusuchen und in jedem mindestens eine Stunde zu schreiben. Mit mindestens einer Stunde meine ich in diesem Fall meistens bis zu zwei / drei Stunden. Vollgepumpt mit Koffein, Kuchen und Snacks brachten wir einiges auf die Beine, doch das letzte Wort tippte ich erst gegen 21 Uhr auf der heimeligen Couch.

Auf dieser Couch hatte ich auch 2021 schon mein letztes Wort im vorherigen Manuskript getippt. Als uns klar war, dass es gleich soweit sein würde, begann ich doch tatsächlich zu zittern. Ich hatte noch fünf Sätze vor mir. Fünf Sätze, die mich von dem Gefühl der Freiheit trennten. Dem Gefühl, etwas geschafft zu haben. Abgeschlossen. Natürlich weiß ich, dass das erst der Anfang ist. Aber hey, mein Ziel, das Buch dieses Jahr noch herauszubringen, ist jetzt gar nicht mehr so unrealistisch, wie ich es am Anfang noch dachte. Ich saß da, breit grinsend, mit nervösen Fingern, die ich über die Tastatur gleiten ließ und die sich vor laufender Kamera und mit steigender Anspannung, wie hätte es anders sein sollen, vertippten und beinahe die Hälfte löschen mussten, bevor ich den letzten Punkt setzte. Mich überkam ein Gefühl der Erleichterung und gleichzeitig wurde ich traurig, dass ich in Zukunft nicht mehr daran weiterschreiben würde. Was Quatsch ist. Aber dieser eine Moment, als ich den letzten Punkt setzte, war magisch. Anders kann ich es nicht beschreiben.  

Vielleicht zeige ich dieses Video mal, wenn das Buch erschienen ist. Bis dahin wird es im Handyspeicher gut aufbewahrt. Gestern ging ich mit meinem USB-Stick zum hiesigen Alles-Drucker-Laden und ließ es mir ausdrucken.

Mein eigener Text auf 411 Seiten.

194.357 Wörter.

Mein Buch.

Es fällt mir schwer, ihn jetzt eine angemessene Zeit lang liegen zu lassen. Ausgedruckt haben die Worte nochmal eine ganz andere Wirkung als auf einem Bildschirm und am liebsten würde ich es mir sofort einmal komplett durchlesen. Am 1. März 2023 werde ich in die Überarbeitungsphase gehen. Bis dahin brauche ich Abstand. 

Dieser Text wird eines Tages in meinem Bücherregal stehen. Und wenn es so weit ist, mache ich eine Zeitreise.

In welches Jahr, verrate ich euch später.

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